Mit Diversity Management Personal finden

(erschienen in: RKW Fachkräfteblog 07/2014)

Auch unsere Arbeitsmärkte werden immer vielfältiger. Unternehmen, die künftig auf diese Vielfalt zurückgreifen möchten, sollten lernen, welche Anforderungen dies an die professionelle Personalsuche und Integration der Leute stellt. Die Expertin Frau Maiweg erzählt in diesem Interview von ihren Erfahrungen und berichtet worauf es dabei ankommt...

Welche Potenziale stecken in einer diversityorientierten Personalpolitik angesichts der Veränderungen unserer Arbeitsmärkte? Welche Zielgruppen können erreicht werden und wie groß ist das Potenzial um Personalengpässe abzuwehren?

Gerne würde ich zunächst adressieren, worum es mir persönlich bei diesem sperrigen und für Viele etwas umständlichen Begriff ‚Diversity' geht: es handelt sich zuvorderst um einen wertschätzenden und respektvollen Umgang mit Vielfalt, sei es der Vielfalt an Menschen, Lebens-und Glaubensformen oder Herangehensweisen, Erfahrungen, Sozialisationen, Sprachen und vielem mehr.

Wenn Sie von veränderten Arbeitsmärkten sprechen so meinen Sie vermutlich die Umstände, dass alles globaler, schneller, effizienter, kurzfristiger, volatiler und anspruchsvoller geworden ist? Auch wenn dies auf den ersten Blick ein „erschreckendes" Szenario sein mag, so steckt doch ein enormes wirtschaftliches und gesellschaftliches Potential darin. Eine diversityorientierte Personalpolitik, also eine „Personalkultur", bei der sozusagen das Können und Sein vor Eigenschaften wie Nationalität, Geschlecht, Alter, Rasse, sexuelle Orientierung etc. gestellt wird, kann einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens erbringen. Wer zukünftig nicht erfolgreich mit Vielfalt und Internationa­lität umgehen kann, wird selbst nicht mehr zukunftsfähig sein, davon bin ich überzeugt!

Warum? Weil ein internationales und interkulturelles Personalmanagement nicht nur die Attraktivität als Arbeitgeber erhöht. Sowohl die Absatzmärkte als auch die Kunden werden zunehmend internationalisierter und interkultureller. Internationale und interkulturelle Teams tragen daher zu einer Erhöhung von Kreativität und Innovationsfähigkeit bei Pro­blemlösungen oder Produkt- und Marktentwicklungen bei und verbessern dadurch die Kundenorientierung und -bindung. Der kompetente Umgang mit der Vielfalt an Sprachen, Kulturen, Werten und Arbeitsstilen ist oft die wichtigste Voraussetzung, um auch nach außen sicher und erfolgreich in länderübergreifenden Kooperationen mitspielen zu können. Zahlreiche Studien belegen weitere Potenziale: Nämlich, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen hohen Innovations- und Wachstumsraten und kreativen Wirt­schaftsstandorten gibt, die von Chancengleichheit, Internatio­nalität und Weltoffenheit geprägt sind.

Aus dem oben gesagten ergibt sich eigentlich schon, welche Zielgruppen von einer diversity-orientierten Personalpolitik erreicht werden können und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit beitragen: Es wären da Frauen ebenso wie Männer, ältere und jüngere Menschen, Behinderte (nicht jede Behinderung ist gleich!), Homosexuelle, Migranten. Sie alle können uns etwas zu ihren „Heimatmärkten" sowie Produkterwartungen und Bedürfnissen sagen. Die richtige Förderung und Einbindung ‚des Mitarbeiters' wird zum Schlüssel der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Keiner vermag heute zu sagen, inwieweit die Migration von Fach- und Führungskräften nach Deutsch­land auf Dauer angelegt ist oder eine Reaktion auf konjunkturelle Entwicklungen darstellt. Aufgrund der demografischen Entwicklung, des Aussterbens vereinzelter Berufsbilder und der Rolle Deutschlands als Exportweltmeister wird daher künftig mehr denn je die Expertise aller gebraucht.

Wie kann Diversity Management mittelständischen Betrieben mit Fachkräfteengpässen konkret weiterhelfen? Können Sie diesbezüglich auch einzelne Maßnahmen empfehlen?

Wie Sie mit Ihrer Frage richtig andeuten, sind vom aktuellen „Trend" des Fachkräftemangels – verschärft durch den demografischen Wandel – kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) besonders betroffen. Dies hat sicherlich vielschichtige Gründe kann aber auch daran liegen, dass sie häufig eher unbekannt und somit generell weniger Bewerbungen als die allseits bekannten Großen erhalten und dazu häufig in ländlichen Gebieten angesiedelt sind; die Ursache für den Fachkräftemangel in KMU kann aber auch in der Ausprägung des Gehaltes zu finden sein. Kleine können meist nicht so vergüten, wie Große dies tun.

Diversity Management als strategischer Ansatz ist im Mittelstand die Ausnahme. Oft stellen sich hier „Probleme" ein, die umgehend gelöst werden müssen. Da ist es unerheblich, wie ein Instrument ‚heißt'. Das heißt aber auch nicht,, dass keine Instrumente zum Einsatz kommen. Vielmehr ist eine Offenheit für Vielfalt in KMUs eher von der Unternehmerper­sönlichkeit geprägt als von Strukturen, die erst zu Offenheit führen sollen. Von daher liegt der Schlüssel in genau dieser Persönlichkeit und dessen Erkennt­nis von der Notwendigkeit, Diversity Management sowohl nach innen als auch nach außen zu kommunizieren. Bei der Frage nach geeigneten Maßnahmen ist im Mittelstand wichtig, dass Instrumente wenig kosten dürfen und einfach umzusetzen sind. Andererseits ist jedes Instrument nur so gut wie es entwickelt und von den Nutzern angewandt wird. Man wird nicht umhin kommen, langfristig auf drei unterschiedlichen Ebenen zu arbeiten. Dies sind die Ebene des Individuums, der Unternehmenskultur und dann der Systeme bzw. Strukturen.

Zu Beginn ist eine Analyse wichtig, auf welchen Märkten, mit welchen Produkten und Kunden man derzeit unterwegs ist bzw. wohin man in der Zukunft will. Wenn darüber Klarheit herrscht müsste in einem allerersten Schritt das obere und mittlere Management für Diversity und seine Implikationen sensibilisiert werden. Denn meist sind es nicht bewusste Diskriminierungen, sondern Unwissenheit, die zu „homogenen" Unternehmens­kulturen führen. Die Beeinflussung oder Veränderung einer Unterneh­menskultur gelingt in KMUs allerdings einfacher als in großen Unternehmen. Je nachdem, wie der unternehmenseigene ‚business case' aussieht gibt es dann einen großen Strauß an Möglichkeiten. Manche Instrumente sind einfach, manche komplexer in der Einführung, es gibt nicht DAS geeignete Instrument. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Aufzählung, die nicht abschließend sein kann:

  • Entwickeln einer Strategie für die Suche von Fachkräften im Ausland und deren Integration;
  • Zusammenstellen multinationaler Teams, um bspw. die Internationalität von Kunden / Produkten / Märkten widerzuspiegeln;
  • Sicherstellen der fachlichen Weiterbildung und bewusste Weiterentwicklung vorhandener Mitarbeiter im Hinblick auf neue/veränderte Rollen;
  • Einbindung unterschiedlicher Akteure aus dem Unternehmen und ggfls. von extern in Marktrecherchen/Feedback, Produktentwicklungen, Kommunikationsprozesse („ es ist wichtig die Bedürfnisse am Markt zu kennen");
  • Angebot qualifizierter Teilzeit, variable Projektarbeit, flexible Gestaltung des Arbeitsvertrags;
  • Identifizierung und Entwicklung neuer Rekrutierungswege und Zielgruppen/Aufbruch in ‚neue' Märkte ;
  • Nutzen von Netzwerken/ informellen Informationswegen und Netzwerken zur Rekrutierung und Einbindung von Vielfalt;
  • Rekrutierungsabteilung heterogen besetzen bzw. Prozesse (Bewerbungsinterview und Entscheidungen) neutral definieren;
  • Anbieten von Sprachkursen;
  • Kooperationen mit anderen Unternehmen eingehen (bspw. zur Schaffung eines Pools für bestimmte Funktionen).

Meines Erachtens ist vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels eine professionelle und divers ausgerichtete Rekrutierung DER Schlüssel zum Erfolg. Bei diesen gesellschaftlichen Herausforderungen fällt in der Tat auf, dass große Potenziale auf dem Arbeitsmarkt bislang nicht ausgeschöpft werden. Sei es die Flexibilität und Kompetenz von Frauen, die Erfahrung Älterer, die Kompetenzen Behinderter oder die Anerkennung ausländischer Diplome, um nur einige zu nennen.

Welche Hürden können auf ein Unternehmen mit einer vielfaltsorientierten Personalbeschaffung zukommen?

Das ist eine sehr berechtigte Frage und leider nicht mit einem Satz zu beantworten. Dies liegt daran, dass jedes Unternehmen seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat und in einem sehr spezifischen Umfeld arbeitet. Als Antwort möchte ich Ihnen daher lieber einige Erfolgsfaktoren nennen:

  1. Sollte sich das Unternehmen für Diversity (= größere personale Vielfalt) entscheiden, ist auf jeden Fall eine transparente und überzeugende Kommunikation seitens der Geschäftsleitung nötig, in der die Belegschaft auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Notwendigkeit, Toleranz gegenüber Verschiedenartigkeit und dessen Implikationen im Alltag vorbereitet wird. Die Umsetzung und Inklusion ist ‚Chefsache'. Denn: Diversity als Konzept bedeutet noch nicht Inklusion am Arbeitsplatz! Die Geschäftsleitung muss die Wertschätzung von Vielfalt vorleben, wenn die Aktivitäten nachhaltig sein sollen. Der Gesamteindruck im Innen und Außen muss schlüssig und überzeugend sein.
  2. Dies heißt aber auch, dass personale Vielfalt sowohl nach innen als auch und insbesondere nach außen abgebildet sein sollte, insbesondere bei den Entscheidungsträgern sowie denen, die den Bewerbungs- und Betreuungsprozess verantworten
  3. Personaleinstellungen sind Investitionen – und müssen darum sorgfältig vorbereitet sein! Ansonsten entstehen unnötige Fehlinvestitionen und mehr noch: schwerer wiegen Kosten die entstehen, wenn dann Schlüsselpositionen längere Zeit verwaist bleiben.
  4. Fachliche Qualifikationen allein sagen noch nichts über die ‚Passgenauigkeit' des Bewerbers aus. Zunehmend muss im angespannten Arbeitsmarkt auf außerfachliche Kompetenzen geachtet werden, um Bewerber zu finden, die mind. zu 70-80% auf eine Stelle passen. Häufig bringen Bewerber Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten aus Jobs und Branchen mit, die primär nicht deckungsgleich sind, sich aber bei näherer Betrachtung durchaus auf die zu besetzende Stelle übertragen lassen
  5. Die Rekrutierungskanäle müssten überdacht werden: Eine wesentliche Voraussetzung ist ein offeneres und flexibleres Zielgruppenmarketing, also die Ansprache von ‚Interessenten' in diversen Marktsegmenten und Organisationen. Dies könnte bspw. über Schulpatenschaften, Interessensgruppen und Vereine, Ausbildungsstätten, IHKs, soziale Medien oder auch ‚Mitarbeiter werben Mitarbeiter' geschehen.
  6. Bei der Entscheidung darüber, für welches Unternehmen sich ein Bewerber heute entscheidet spielt neben Faktoren wie persönliche Weiterentwicklung, Flexibilisierung von Arbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, sozialem Engagement des Unternehmens auch eine wesentliche Rolle, wie wertschätzend und professionell ein Unternehmen gegenüber dem Bewerber auftritt und mit ihm umgeht. Die Mehrheit der Jobsuchenden berichtet Freunden und Bekannten von ihren Erfahrungen mit einem Unternehmen. Über social media und Arbeitgeberbewertungs-Plattformen erreichen solche Erfahrungsberichte eine immer breitere Öffentlichkeit. Unternehmen, welche die besten Mitarbeiter für sich gewinnen wollen, tun daher gut daran, Bewerber verstärkt wie Kunden zu behandeln und ihr Bewerbermanagement zu optimieren.

In den Medien hört man immer wieder von der Charta der Vielfalt. Ist das etwas für kleine und mittlere Betriebe, wenn sie ihre Personalbeschaffung verbessern wollen? Wenn ja, auf was sollten die Betriebe unbedingt achten? Wenn nein, warum?

Die Charta der Vielfalt ist eine einmalige Wirtschaftsinitiative und steht jedem offen, der sich dem ganzheitlichen Ansatz der Förderung von Vielfalt in seinem Unternehmen verpflichten möchte. Sie ist ein Dialog- und Impulsgeber und kennt daher keine Grenzen, ob es sich um ein börsennotiertes Unternehmen oder ein KMU handelt. Letztere haben zahlreiche Möglichkeiten, sich auf Veranstaltungen mit Anderen zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen, sich über die Mitgliederliste einen Einblick zu verschaffen, mit welchen Akteuren man am Standort möglicherweise kooperieren könnte uvm. Personalbeschaffung darf man heutzutage eben nicht zu eng sehen: Arbeitnehmer, Bewerber und zahlreiche Interessensgruppen achten schon darauf, ob sich Unternehmen der Vielfalt verpflichtet haben bzw. wie sie damit umgehen.

Worauf KMUs aber auch andere Unternehmen achten sollten ist die Tatsache, dass sich erfolgreiche Diversitykonzepte nicht eins zu eins übertragen lassen. Jedes Unternehmen ist einzigartig und unterscheidet sich bei genauerem Hinsehen vom Anderen, unabhängig von Branchenzugehörigkeit oder regionaler Verankerung, Organisationsstruktur etc. Wichtig ist es, den Ansatz bzw. den Geist der Maßnahmen zu verstehen, ihn für das eigene Unternehmen zu hinterfragen und auf Validität zu prüfen. Die Plattform der Charta der Vielfalt als aktives Mitglied zu nutzen lohnt sich immer, denn nur im Dialog erfährt man, was es für Möglichkeiten und Herausforderungen am Markt gibt. Die Charta der Vielfalt ist deutlich mehr als ein Marketinginstrument; sie wird immer besser je mehr jeder Einzelne mitwirkt und den zugrundeliegenden Gedanken auch wirklich umsetzt und vorlebt. Sie lebt vom Geben und Nehmen der Mitglieder und somit ist bestimmt auch für KMUs etwas 'dabei'.